1919 bis 1921- Der Arbeitersport gewinnt an Bedeutung
Auf dem 12.Bundestag des A.T.B. vom 08. bis 12.06.1919 in Leipzig wurde der A.T.B. in Arbeiter Turn und Sport Bund (A.T.S.B.) umbenannt. Das "S" wurde ergänzt, um den im Verband wachsenden Ballspielen gerecht zu werden. Auf diesem Bundestag wurde über die Aktivierung des Arbeitersports in Deutschland befunden. Durch die Einführung des Achtstundentages, durch die Reform des Vereinsgesetzes und durch die Abschaffung der Gesindeordnung auf dem Lande gab es für die Arbeiter mehr Möglichkeiten zur Ausübung von sportlichen Betätigungen. Damit kam es unmittelbar nach dem Ende des 1.Weltkrieges zu einem gewaltigen Aufleben der Arbeitersportbewegung. Durch den Zuwachs an Mitgliedern in der Arbeitersportbewegung sah man sich gegenüber der bürgerlichen Deutschen Turnerschaft als zumindest gleichberechtigten Partner an und setzte sich politisch mit dieser bürgerlichen Organisation auseinander. In einem Artikel der Arbeiter Turn Zeitung aus dem Jahr 1924 wurden Ferdinand Götz und die Deutsche Turnerschaft aus Sicht des Arbeitersports charakterisiert (Quellen: Texte-Wikipedia/Zeitungsausschnitt: Staatsbibliothek Arbeiter Turn Zeitung Ausgabe 1924). Nach dem 1.Weltkrieg gab es eine Vielzahl von Sportzeitungen zum Arbeitersport. Nach der Umbenennung des A.T.B. in A.T.S.B. erhielt die Zeitschrift "Arbeitersport" einen neuen Zeitungskopf (Quellen: Staatsbibliothek Arbeitersport 1920).
Ab dem Jahr 1920 gab es sichere Nachweise, dass die Sportler der TuSV Altglienicke 1906 wieder am Sportbetrieb der Dachorganisationen des Arbeitersports in Berlin-Brandenburg teilnahmen. Im Jahrbuch des A.T.S.B. wurden die Mitgliederzahlen aller Deutschen Arbeiter-Turn- und Sportvereine, also auch die der TuSV Altglienicke 1906, aufgelistet. Es gab bei der TuSV 41 Turner, 22 Turnerinnen und 55 Fußballer. Aus dieser Übersicht können wir zwei ganz wichtige Informationen unter der Rubrik "Spielbetrieb" bzw. "Serien- und Wettspiele" entnehmen. Wir können erstens schlussfolgern, dass 1920 einige Turner der TuSV Altglienicke 1906 "Turnspiele" im Rahmen ihres Sportbetriebes durchführten. Das kann Torball, Faustball, Raffball oder sonstiges Ballspiel gewesen sein (Handball erst ab 1924). Zweitens belegt diese Übersicht, dass 1920 im Gegensatz zu den Fußballern der TuSV Altglienicke 1906 keine Turn-Mannschaft zu Wettspielen im Rahmen der Turnspiele gemeldet war.
In der Zeitschrift "Der Arbeitersport" haben wir parallel zu der oberen Übersicht Belege über die Existenz von Fußballern, Turnern und Schwerathleten in der TuSV Altglienicke 1906 gefunden. Nachfolgend zwei Informationen von den Fußballern von der Serie 1918/1919 und von einer Versammlung der Fußballer im Jahr 1920 (Quelle: Staatsbibliothek, Arbeiter Sport, verschiedene Ausgaben), ein Foto der Schwerathleten aus dem Jahr 1921 (Quelle: Bürgerverein Altglienicke) und eine Ergebnismeldung der Turnerinnen vom 14.03.1920 (Quelle: Staatsbibliothek, Arbeiter Sport).
Im Jahr 1920 feierte die TuSV Altglienicke 1906 ihr 14. Stiftungsfest; basierend auf dem Gründungsjahr des BSC Freiheit 06. Beachtlich in der Mitteilung über das Stiftungsfest ist die Teilnehmerzahl von ca. 500 Anwesenden (Quelle: Staatsbibliothek, Der Arbeitersport, Ausgabe aus 1920).
1922 bis 1927- Stabiler Arbeitersport
Nach der Wiederbelebung des Arbeitersports in Deutschland in den Jahren von 1919 bis ca. 1921 wurden in nahezu allen Sportarten des Arbeitersports regelmäßige Meisterschaften organisiert und durchgeführt. Dabei stiegen die Mitgliederzahlen der Arbeitersportvereine stetig an. In diesem Zeitfenster führten die Sportler der Turn und Sport Vereinigung Altglienicke 1906 einen relativ konstanten Spiel- und Turnbetrieb durch. Leider gibt es noch zu wenige Informationen, so dass wir an dieser Stelle einfach Info-Splitter aus dieser Zeit auflisten, um diese ggf. nach Vorliegen vertiefender Informationen weiter zu untersetzen.
- 05.02.1922- Treffen der Vorturner des Bezirkes 5 des Kreises 1 in der Turnhalle der Gemeindeschule Köpenicker Straße als zentrale Veranstaltung des Bezirks,
- Ab 1923 (Vermutung) wird die Kreisstruktur des A.T.S.B. reformiert. Ab diesem Zeitpunkt findet man in den amtlichen Mitteilungen für den Kreis 1 Berlin-Brandenburg nur noch vier Unterbezirke (TuSV Altglienicke im Unterbezirk Osten).
- In einer Ausgabe der Zeitung "Vorwärts" aus dem Jahr 1924 findet man Informationen über die Schwerathleten der TuSV und über eine Gruppe Schach aus Altglienicke.
- Die TuSV Altglienicke 1906 begann 1924 innerhalb der Sparte Turnen mit dem Turnspiel Handball. Punktspiele einer Handball-Männermannschaft sind ab 1925 belegbar, mit Bezug auf einen Beginn im Jahr 1924.
Im statistischen Jahrbuch des A.T.S.B. aus dem Jahr 1926/1927 (Quelle: privat) findet man Angabe zu den Mitgliederzahlen aller Vereine. Die TuSV Altglienicke 1906 hatte 51 männliche Turner. Da zu diesem Zeitpunkt die Sportart Handball als "Turnspiel" bei den Turnern existierte, sind bei diesen 51 männlichen Mitgliedern mit Sicherheit auch die Handballer aufgeführt. Ob bei den 25 weiblichen Turnerinnen auch Handballerinnen aufgelistet wurden, können wir nicht sagen.
1928- Die Spaltung der Arbeitersportbewegung
Auf dem Bundestag des A.T.S.B. vom 22. bis 26.06.1928 erfolgte die Spaltung der Arbeitersportbewegung. Bereits bestehende politische Widersprüche zwischen sozialdemokratischen und kommunistischen Strömungen im Sport beeinflussten diesen Bundestag, auf dem die Sportkameraden Zobel, Friedmann, Hutmann, Wiest, Priezel und weitere aus dem A.T.S.B. ausgeschlossen wurden. Nach dem Bundestag mussten sich die A.T.S.B.-Vereine schriftlich erklären, dass sie die beschlossenen Statuten des A.T.S.B. anerkennen. Das machten eine Vielzahl von Vereinen nicht und lösten sich vom A.T.S.B. (Quelle: HU, Campus Nord, Arbeiter Turn Zeitung 1928 verschiedene Ausgaben). In den Veröffentlichungen zu dieser Spaltung gab es die unterschiedlichsten Meinungen. Berichtete die Arbeiter Turn Zeitung aus dem Blickwinkel des sozialdemokratischen Sports, so wurde in der Roten Fahne bzw. in der Zeitschrift Rot-Sport diese Spaltung aus Sicht der kommunistischen Sportbewegung kommentiert. Auch in viel späteren Veröffentlichungen in der DDR oder in der BRD wurden die Vorgänge um die Spaltung logischerweise unterschiedlich bewertet. In der Tabelle findet man eine Zusammenstellung der Mitgliedsvereine des A.T.S.B. für den Kreis 1- Berlin-Brandenburg aus verschiedenen Jahren. Man erkennt den drastischen Rückgang der Mitglieder im A.T.S.B. nach der Spaltung. Man erkennt aber auch, dass der A.T.S.B. nach der Spaltung nicht zusammenbrach, wie es in vielen Zeitschriften der kommunistischen Sportbewegung zu lesen war.
Die Sportler der TuSV Altglienicke 1906 lösten sich vom A.T.S.B. Das ist u.a. dadurch belegt, dass in der Arbeiter Turn Zeitung vom 10.10.1928 alle verbliebenen Vereine des A.T.S.B. aufgelistet wurden. Eine TuSV Altglienicke 1906 bzw. einen anderen Altglienicker Verein gab es in dieser Aufstellung nicht mehr. In wie weit die Schwerathleten der TuSV einen Wechsel des Verbandes vornahmen, haben wir noch nicht recherchiert.
1928 bis 1929- Arbeitersport in der IG
Am 21.10.1928 konstituierten sich die ausgeschlossenen Vereine in Berlin. Die verbliebenen Vereine im A.T.S.B. führten eine konstituierende Sitzung am 28.10.1928 in Brandenburg durch. Waren die Strukturen im A.T.S.B. dem Grunde nach unverändert, so mussten sich die ausgeschlossenen Vereine neu organisieren. Die vom A.T.S.B. ausgeschlossenen Vereine gründeten am 26.05.1929 die Interessengemeinschaft zur Wiederherstellung der Einheit im Arbeitersport (IG). Zu einer Wiedervereinigung kam es jedoch nie. In der IG organisierten sich bis 1930 ca. 570 Vereine aus allen Teilen Deutschlands. Auf Grund der Vielzahl der Vereine beschloss die IG zu Pfingsten 1930 ein 1.Reichstreffen der "Revolutionären Kräfte des Arbeitersports" in Erfurt durchzuführen. An dieser Veranstaltung nahmen ca. 40.000 Sportler teil.
Die Vereine, die sich vom A.T.S.B. trennten und zur kommunistischen Sportbewegung übertreten wollten, müssen im November 1928 durch das Innenministerium einer Überprüfung ausgesetzt worden sein. Auch die Sportler der TuSV Altglienicke 1906 wurden im Rahmen einer Information der polizeilichen Exekutive überprüft. Im Sportmuseum Marzahn/Hellersdorf gibt es hierzu Unterlagen. Wir haben uns auf einen kleinen Ausschnitt beschränkt, der die TuSV Altglienicke 1906 als eine staatsfeindliche Organisation einstufte.
Die Fußballer der TuSV Altglienicke 1906 verblieben im Dachverband der Arbeiter-Fußballer des Kreises 1- Berlin-Brandenburg- der Märkischen Spiel Vereinigung, die als Dachverband ebenfalls aus dem A.T.S.B. ausgeschlossen wurde und zur IG übertrat. Man findet Ansetzungen und Ergebnisse von Fußballern der TuSV Altglienicke 1906 ab der Spaltung der Arbeitersportbewegung in der Zeitschrift „Der Arbeiterfußball“, welche über den Fußball in der Märkischen Spiel Vereinigung berichtete. Im A.T.S.B. wurde eine neue Fußballvereinigung unter der Bezeichnung „Spielvereinigung des 1. A.T.S.B.-Kreises“ gebildet (Informationen aus Wolter, Arbeiterfußball in Berlin und Brandenburg, sowie Staatsbibliothek: Der Arbeiterfußball, 1929 verschiedene). In der Zeitschrift "Rot-Sport" haben wir aus den Jahren 1929 und 1930 Informationen über die Turner der TuSV Altglienicke 1906 gefunden. Da die Zeitschrift "Rot-Sport" das Organ der IG war, ist damit belegt, dass auch die Turner der TuSV vom A.T.S.B. zur IG wechselten. Das gleiche traf für die Handballer der TuSV Altglienicke 1906 zu. In der Zeitschrift "Rot-Sport", z.B. in der Nr. 1 des 9. Jahrgangs, findet man Tabellen mit Altglienicker Handballmannschaften der TuSV. Nachfolgend ein Ausschnitt aus der Zeitung Rot-Sport (Quelle: Staatsbibliothek) mit einem Bericht über ein Werbefussballturnier der TuSV-Fußballer in Altglienicke und ein Foto von einem Festumzug der TuSV-Sportler (Quelle: privat Sammlung Kn.). Das Foto wurde nach 1928 in der Grünauer Straße kurz vor der Kreuzung mit der Köpenicker Straße aufgenommen. Man sieht die Oberleitung der Straßenbahn, die 1928 von der Kirche zur Straße am Falkenberg verlängert wurde. Der Festzug war sicherlich auf dem Weg zum Sportplatz "Am Kiesberg" welcher der zentrale Sportplatz der TuSV-Sportler war.
1930 bis 1932- Arbeitersport in der KG
Am 07.12.1930 wurde aus der "Interessengemeinschaft zur Wiederherstellung der Einheit im Arbeitersport (IG)" die "Kampfgemeinschaft für rote Sporteinheit (KG)" als der neue Dachverband. Im Vorstand der KG wirkten u.a. Ernst Grube und Paul Zobel mit, nach denen in der DDR zwei Berliner Sportanlagen benannt wurden (ehemaliger Sportplatz in Spindlersfeld und Sportplatz von Einheit Pankow). (Quellen: u.a. Skorning, Fußball in Vergangenheit und Gegenwart, Sportverlag Berlin 1978 und HU Campus Nord Arbeiter Turn Zeitung vom 10.10.1928).
1933- Das Verbot des Arbeitersports
Am 30.01.1933 übernahmen die Nationalsozialisten in Deutschland die politische Macht. Am 27.06.1933 wurden per Verfügung des Reichs-Innenministeriums alle Dachorganisationen des Arbeitersports sowie alle Arbeitersportvereine verboten und aufgelöst. Mit dieser Auflösung der Arbeitersportvereine endete in Deutschland und natürlich auch in Altglienicke die Existenz des Arbeitersports als selbständige Organisationsform (Quelle: Wiki). Ob in Altglienicke durch die Arbeiter-Sportler der TuSV Altglienicke 1906 nach dem Verbot des Arbeitersports auch "illegale" Veranstaltungen durchgeführt wurden, ist uns nicht bekannt und ist sicherlich auch nicht mehr recherchierbar. Nachweislich ist aber, dass einige Sportler der TuSV Altglienicke 1906 in den bürgerlichen Verein MTV Spieß Altglienicke und in den Altglienicker Ballspiel Club 1909 übergetreten sind. Dieses war unter bestimmten Auflagen ab dem 01.10.1933 möglich.
1934
Im Archiv der Humboldt-Universität haben wir bei unseren Recherchen als Abschrift vier Ausgaben der Zeitung "Rot-Sport" gefunden, die nach dem Verbot des Arbeitersports herausgegeben wurden (2 x Juni, September, November 1934). Wir gehen davon aus, dass diese Blätter illegal geschrieben und verteilt wurden. In einer der Juni-Ausgaben wurde von der Verteilung von 1000 Stück der Zeitschrift berichtet. Inhalte dieser Ausgaben waren hauptsächlich Informationen über politische Maßnahmen der Arbeitersportler wie z.B. Flugblattaktionen zum 1.Mai, Anbringen von Sowjetsternen u.a. Es gab auch einen kleinen Bericht über eine Sportveranstaltung der Wasserfahrer, die am 29.03.1934 ihr Ansegeln durchführten; sicherlich als privat organisierte Veranstaltung. Bei diesem Ansegeln wurden 200 Luftballons mit politischen Flugblättern befüllt, aufgeblasen und auf den Gewässern abgelegt (Quellen: siehe oben). Es ist unglaublich spannend, diese Zeitungen zu lesen.