1878 bis 1890- Das Sozialistengesetz
Am 22.10.1878 wurde per Reichsgesetzblatt Nr. 34 durch Kaiser Wilhelm I das Sozialistengesetz beschlossen "Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie". Dieses Gesetz verbot Arbeitern sowie sozialdemokratischen bzw. kommunistischen Gruppierungen die Gründung von Vereinen. Dieses Vereinsverbot betraf selbstverständlich auch den Sport. (Quelle: Wikipedia). Da im Deutschen Parlament in der Zeit des Sozialistengesetzes trotz des außerparlamentarischen Verbotes von sozialdemokratischen Aktivitäten eine Sozialdemokratische Partei existierte, behielt die Arbeiterbewegung ihre Stimme. Die damalige SAP erreichte bei den Reichstagswahlen am 20.02.1890 einen hohen Stimmenzuwachs. Damit scheiterte Bismark bei seinen Bestrebungen, das Sozialistengesetz zu verlängern. Das Parlament lehnte die Verlängerung des Sozialistengesetzes am 25.01.1890 im Reichstag ab. (Quelle: Wikipedia).
1892- Der Arbeitersport organisiert sich
Nach Aufhebung des Sozialistengesetzes am 25.01.1890 gründete sich am 26.06.1892 in Brandenburg in Mengerts Biergarten unter Leitung des Brandenburgers Otto Gartz der Märkische Arbeiter Turnerbund (M.A.T.). Diese Verbandsgründung wird in der Arbeiter Turn Zeitung als der Beginn des organisierten Arbeitersports bezeichnet. Am 18.09.1892 fand der erste Turntag des M.A.T. in den Konkordia-Festsälen in Berlin statt (Quelle: HU, Campus Nord, Arbeiter Turn Zeitung vom 22.06.1927).
Am 22.05.1893 gründete sich in Gera der Arbeiter Turner Bund (A.T.B.) als Dachverband aller regionalen Organisationen des Arbeitersports. Die regionale Struktur des Verbandes wurde vom Prinzip her ähnlich der Struktur der Deutschen Turnerschaft aufgebaut. Das Reichsgebiet einschl. Gebiete von Österreich wurden in Kreise gegliedert (Quelle: Staatsbibliothek, Arbeiter Turn Zeitung, 1924). Jeder Kreis wurde dann in Bezirke unterteilt.
Kreisnummer | Kreisname | Kreisnummer | Kreisname | Kreisnummer | Kreisname |
I | Berlin-Brandenburg | VII | Nürnberg | XIII | Kassel |
II | Halle | VIII | Stuttgart | XIV | Breslau |
III | Hamburg | IX | Frankfurt | XV | Stettin |
IV | Dresden/Leipzig | X | Mannheim | XVI | Forst |
V | Jena | XI | Bremen | XVII | Wien |
VI | Dortmund | XII | Königsberg | XVIII | Linz |
XIX | München |
Der A.T.B. war der größte Einzelverband des Arbeitersports. In den Jahren ab 1893 entstanden nach dem A.T.B. weitere Arbeitersportverbände, die wir nachfolgend auflisten. (Quelle: Staatsbibliothek "Der Arbeitersport" Jahrgang 1920). Dieses waren (in fett die Verbände, die für den Arbeitersport in Altglienicke wichtig waren): Kartellverband Groß Berlin, Arbeiter- Athleten- Bund (gegr. 25.12.1906; Quelle: Wikipedia), Touristenverein "Die Naturfreunde", Verband für Volksgesundheit, Arbeiter Radfahrbund Solidarität (gegr. 1896 Offenbach, Quelle:Wikipedia), Arbeiter Wassersport Verband, Arbeiter Turner Bund (A.T.B gegr. siehe vor), Arbeiter Schach Bund, Bund der Arbeiter-Musikvereine.
1900 bis 1908- Die Radfahrer und die Bewegungssportler- Der Beginn in Altglienicke
Im August 1900 gründete sich in Altglienicke der "Arbeiter Radsportverein Vorwärts Altglienicke". Dieser trat im August 1900 dem "Arbeiter Radfahrbund Solidarität" bei. Nach der Recherche im März 2021 ist dieser Radsportverein der erste organisierte Arbeitersportverein in Altglienicke. Ausführliche Informationen über den Radsport in Altglienicke von 1900 bis ca. 1925 sind in unserer Chronik unter "Abteilungen/Sonstige/Radsport" zu finden. 1906 gründete sich in Altglienicke der Bewegungs Spiel Club Freiheit 1906 (BSC Freiheit 06), in dem Fußball und Leichtathletik betrieben wurden. Der BSC Freiheit 06 war zuerst ein freier Verein ohne Bindung an einen Dachverband. Später war er einer der Gründungsvereine eines vereinigten Arbeitersportvereins in Altglienicke. Weiterer Altglienicker Vereine, die dem Arbeitersport zugeordnet werden könnten, waren der Arbeiter Turn Verein Altglienicke sowie die Freie Turnerschaft Altglienicke. Wann diese beiden Vereine gegründet wurden und ob sie zu einem Verband gehörten sind derzeit noch unklar.
1909 bis 1911/1912- Die verbandsfreien Ballspielvereine
Am 01.06.1909 beschloss der A.T.B. auf dem 9.A.T.B.-Bundestag in Köln, dass man "Spielvereinen", die die Regeln und Statuten des A.T.B. anerkannten, die Mitgliedschaft im A.T.B. gestattete. Speziell durch den immer populärer werdenden Fußball gab es diesen Beschluss des A.T.B. Damit war man weit fortschrittlicher als die bürgerlichen Vereine der Deutschen Turnerschaft, die Ballspiele in Wettkampfform erst nach dem 1.Weltkrieg offiziell duldeten. In "Skorning- Fußball in Vergangenheit und Gegenwart, Sportverlag Berlin 1978" wird dieser 01.06.1909 als der Beginn des Arbeiterfußballs in Deutschland bezeichnet. Weiterhin gab es Faustball, Schlagball, Raffball und Torball, aus dem sich später der Handball entwickelte.
Die Fußballer des BSC Freiheit 06 waren bereits seit ihrer Vereinsgründung im Jahr 1906 aktiv. Man führte Gesellschaftsspiele durch und beteiligte sich an ausgeschriebenen freien Turnieren. Die Einführung von Meisterschaften im A.T.B. im Jahr 1909 war für die Fußballer des BSC Freiheit 06 noch kein Grund, sofort dem Verband (hier Märkische Spiel Vereinigung) beizutreten. Nachfolgend ein Bericht über die Jahreshauptversammlung des BSC Freiheit 1906 aus dem Jahr 1912 (Quelle: Staatsbibliothek, "Der Rasensport", Januar 1912). Aus der Veröffentlichung erkennt man, dass der BSC Freiheit 06 mehrere Fußballmannschaften hatte. Im Foto nachfolgend möglicherweise Fußballer des BSC Freiheit vor der Gaststätte in der Köpenicker Str. 6, der ein Sportplatz gegenüber gelegen haben soll.
Im Jahr 1909 gründete sich in Altglienicke mit dem SC Jugendlust 1909 ein weiterer Fußballverein. In den Ausgaben der Zeitschrift "Der Rasensport" von 1909 bis 1911 ist nachzulesen, dass sowohl der BSC Freiheit 06 als auch der SC Jugendlust 1909 bis zum 31.05.1912 einen freien Fußballspielbetrieb durchführten. Ob die Leichtathleten des BSC Freiheit 06 bereits dem A.T.B. angehörten, ist bisher nicht bekannt. Nicht bekannt ist weiterhin, ob der SC Jugendlust 1909 noch weitere Sparten hatte. Die im Jahr 1909 gegründeten Fußballvereine SC Berolina 1909 Altglienicke und Altglienicker Ballspiel Club 1909 führten nach ihrer Gründung ebenfalls nur freie Spiele und Turniere durch. Diese beiden Vereine hatten später keine Bedeutung für den Arbeitersport in Altglienicke.
1912- Die erste Fusion/ 1913-Spielbetrieb
Der BSC Freiheit 06 und der SC Jugendlust 1909 fusionierten am 01.06.1912 und bündelten unter Sport Vereinigung Altglienicke 1906 erstmalig die Kräfte der zukünftigen Arbeitersportbewegung in Altglienicke (Quelle: Staatsbibliothek "Der Rasensport" verschiedene Ausgaben).
Aus dem Jahr 1913 haben wir vom Verein "Freie Turnerschaft Altglienicke" Informationen gefunden. Als Beleg für die Existenz dieses Vereins liegen uns ein vom Bürgerverein Altglienicke übergebenes Foto vom Vereinsabzeichen dieses Vereins sowie zwei Zeitungsausschnitte aus dem Jahr 1913 vor (Quelle Zeitungsausschnitte: Friedrich Ebert Stiftung, Digitales Zeitungsarchiv- Vorwärts, verschiedene Ausgaben, Ausschnitte sind frei verfügbar). Aus den Zeitungsartikeln kann man entnehmen, dass dieser Verein eine Sparte Turnen hatte und einen Turnplatz nutzte (Ort unbekannt; ggf. Schirnerstraße). In einem weiteren Zeitungsausschnitt wurden Fußballer erwähnt. Spiele der Fußballer der Freien Turnerschaft Altglienicke sind nicht nachweisbar. Fusionen mit der SV Altglienicke 1906 oder dem nachfolgend genannten Arbeiter Turn Verein Altglienicke sind ebenfalls nicht nachweisbar, jedoch denkbar.
Im Buch "Arbeiterfußball in Berlin und Brandenburg" von Christian Wolter findet man Informationen über den Arbeiter Turn Verein Altglienicke (A.T.V. Altglienicke), der zwischen 1913 und 1914 zumindest mit einer Sparte Fußball existierte. Es liegt eine Abschlusstabelle der Fußballer aus dieser Spielserie vor. Welche sonstigen Sparten der Verein noch hatte, ist uns nicht bekannt. Es ist jedoch stark davon auszugehen, dass man eine Sparte Turnen hatte. Dazu ist der Vereinsname zu eindeutig.
1914- Die zweite Fusion
Otto Hentschel als 1.Vorsitzender der SV Altglienicke 1906 strebte die Vereinigung aller Altglienicker Arbeitersportvereine an, die im Jahr 1913 vorbereitet und wahrscheinlich 1914 mit der Vereinigung der SV Altglienicke 1906 und dem A.T.V. Altglienicke zur Turn- und Sport Vereinigung Altglienicke 1906 zum Abschluss gebracht wurde. Als Gründungsjahr der TuSV Altglienicke 1906 wurde im Vereinsnamen das Jahr 1906 festgeschrieben; sicherlich bezogen auf das Gründungsjahr des BSC Freiheit 06. Die Fusion belegt ein Protokoll in unseren Unterlagen, welches man anlässlich eines Sportfestes in den 50-er-Jahren erstellt hatte. Es erinnert an Otto Hentschel und beschreibt diese Vereinsfusion. Dabei wurde der Zusammenschluss des BSC Freiheit 06 mit dem SC Jugendlust 1909 im Jahr 1912 nicht erwähnt, was wahrscheinlich von den Schreibenden vergessen bzw. nicht beachtet wurde.
Die Sportler bzw. die Sparten der TuSV Altglienicke 1906 wurden Mitglieder bestehender Dachverbände des Arbeitersports. Die Turner (ggf. auch die Leichtathleten) wurden Mitglied der Sparte Turnen des A.T.B. im Kreis 1 Berlin-Brandenburg im Bezirk 5. Die Fußballer traten der Märkischen Spiel Vereinigung des A.T.B. bei. Die Schwerathleten wurden Mitglied des Arbeiter Athleten Bundes. Die Sportler des Altglienicker "Arbeiter Radsportvereins Vorwärts" traten nach unseren Informationen nicht der TuSV Altglienicke 1906 bei. Sie blieben beim "Arbeiter Radfahrerbund Solidarität" als "Mitgliedschaft Alt-Glienicke". Dieses belegt ein Zeitungsausschnitt aus der Zeitung "Vorwärts" aus dem Jahr 1914. (Quelle; Friedrich Ebert Stiftung, Digitales Zeitungsarchiv-"Vorwärts" vom 30.01.1914/hier nicht eingefügt-siehe "Abteilungen/Sonstige/Radsport).
In der Zeitung "Vorwärts" haben wir weiterhin Informationen gefunden, aus denen hervorgeht, dass der Arbeitersport bis zum Beginn des 1.Weltkrieges einen festen Platz im gesellschaftlichen Leben in Altglienicke hatte. Man findet Anzeigen über Sängerfeste von Arbeiter-Chören u.a. in der Gaststätte "Bohn" Grünauer Straße 55, sowie von Vergnügen mit Darbietungen von Arbeiter-Sportvereinen (Quelle: jeweils Friedrich Ebert Stiftung, Digitales Zeitungsarchiv-Vorwärts, verschiedene Ausgaben).
1914 bis 1918- Der 1.Weltkrieg
Während des 1.Weltkrieges kam es zu dramatischen Veränderungen und Einschnitten in der Arbeitersportbewegung, die dem Grunde nach völlig zum Erliegen kam. Wir können dieses soweit bestätigen, als dass die Fußballer der TuSV Altglienicke 1906 in keinem Kriegsjahr an den Meisterschaften der Märkischen Spielvereinigung teilgenommen haben. Auch von den Turnern und Schwerathleten der TuSV Altglienicke 1906 gibt aus der Zeit des 1.Weltkrieges keine Informationen, genauso wenig wie über Aktivitäten des Radsportclubs Vorwärts.